Freitag, 12. März 2010

5. Szene – Freiheit

5. Szene – Freiheit

Leere Bühne. Keine Leinwände mehr. Das Leben (L) im Büßerhemd. Der Tod (T) im Faschingskostüm mit aufgemaltem Skelett. T steht an der hinteren Wand.

L, kreuz u. quer über die Bühne laufend:

Ich will das nicht.

Ich will das einfach nicht.

Nein, ich will es nicht.

Nichts darf sich ändern, da alles anders wurde.

L trinkt gierig.

L geht zu T und versucht vergeblich, sich zu ihm ins Kostüm zu zwängen.

L:

Das ist mein Kostüm.

Den ewigen Frieden lieben alle.

L versucht ihm das Kostüm vom Leib zu reißen.

T lacht sie aus.

L läuft wieder kreuz und quer über die Bühne.

L:

Er ist da.

Immer wieder. Immer noch.

Solange er da ist, wird mir nichts passieren.

L summt eine traurige Melodie.

L schreit T an:

Liebe mich.

T lacht sie wiederum aus.

L stolziert über die Bühne.

L zum Publikum:

So liebt er mich.

L zu T:

Ich liebe dich.

T lacht.

T als wolle er jemanden erschrecken:

Huhuu Huhuu

L:

Hallo?

Ja?

Wer da?

Da ist doch jemand.

(zum Publikum)

Ich tu jetzt so, als hätte ich mich zu Tode erschreckt.

L fällt pathetisch in Ohnmacht.

T geht zu L und fühlt ihren Puls. Er lacht, tanzt um L.

L schreit:

Ich will das nicht.

Ich bin nicht du.

T erschrickt mit slapstickhafter Geste und rennt wie ein lächerliches Gespenst über die Bühne.

L, liegend, dann langsam aufstehend:

Immer wollte ich sein wie du, damit du werdest wie ich.

Was auch immer du sein magst,

du machst mir keine Angst mehr.

Ja, ich hatte Angst. Und du bist auch zum Angst Haben.

Ich weiß jetzt, dass ich das kann,

das ich das darf,

Angst haben.

Vor dir.

Denn das bin ich: Angst Haben.

Vor dir.

Was auch immer du sein magst,

du nimmst mir nicht mehr das Leben.

Nicht solange ich bin.

Ja, das Leben, das hattest du mir fast genommen,

weil ich es dir fast gegeben habe.

Geschenkt habe.

Fast.

Aber so weiß ich, dass ich das habe, das Leben.

Die Freude hattest du mir verboten, denn die Freude ist dein Ding nicht,

nur die Lächerlichkeit, die ist dein Ding.

Aber sie bringt mich nicht mehr zum Lachen.

Du bringst mich nicht mehr zum Lachen.

Alles bringt mich jetzt zum Lachen.

Vieles bringt mich jetzt zum Weinen.

Manches zum Lieben.

Aber nicht mehr du.

Wir waren verrückt,

crazy like a fool.

Du kalter Geselle.

Du alter Sack.

Du feiger Soldat.

Du erbärmlicher falscher Lover.

Daddy cool, du.

Kalte Hände machtest mir und kalte Füße,

dass alle Hitze in meinen Kopf stieg,

sich selbst zu verfluchen.

T steht still.

L, nun stehend, haucht ihn an:

Weniger als das bist du.

T flieht vor dem Hauch an den Rand der Bühne.

L:

Stark sein wollte ich für dich.

Jede Krankheit auf mich nehmen für dich.

Dich tragen wie einen scheißschweren Sack Kohle.

Doch deine Stärke flieht vor jeder lebendigen Schwäche.

Hier hast du deinen Sack.

Nix drin.

L haucht und T trollt sich mit ausgebreiteten Armen ein Flugzeug imitierend

von der Bühne.

L:

Ich begehrte deinen Atem.

Deine seelenmordenden Miasmen des Mitleides.

Mein Atem sollte sein wie unendliches Leid,

damit du angezogen seiest von mir wie die Motte vom Licht.

Mit mir littest.

Mit mir seiest.

lacht

Mein Atem mag mitunter einen Geruch haben,

lacht

aber er stinkt nicht wie der deine.

Mein Atem ist nicht die Pest.

Denn meine Seele ist nicht tot.

Ich bin nicht tot.

Ich bin nicht einmal krank.

Ich bin nur das, was du nicht bist.

Ja, fliehe,

denn deine Zeit ist noch nicht gekommen,

L haucht ein langgezogenes:

puh

L:

denn mein Atem hat eine Stimme.

Denn ich habe Fleisch und in mir fließt Blut.

Die Stimme, die du nie hören wolltest,

weil du sie so unendlich selbst haben wolltest.

Such dir deinen Todesengel woanders.

L haucht wiederum ein langgezogenes:

Puh.

L:

Solange diese Stimme singt,

singt sie von dir und mir,

damit du nicht da bist.

Damit du mir nicht die Freude wie die Luft zum Atmen nimmst.

Solange ich bin, bist du nicht da.

L lacht.

L zieht das Büßerhemd aus u. ist nackt.

L:

Singe ich, so singen meine Trauer und mein Zorn, singen meine Lust, meine Angst und meine Liebe,

die so lebendig sind wie ich.

Der Chor meines Lebens.

Nicht sie sind der Tod.

Singt meine Trauer und singt mein Zorn und singt meine Lust und singt meine Angst und singt meine Liebe,

bist du da, wo ich nicht bin.

L steht reglos da u. macht Pipi mit dem Gesichtausdruck eines kleinen Mädchens.

L fasst sich, wird stolz, kniet sich hin u. lacht von ganzem Herzen. Das Lachen geht über in Singen. L singt daddy cool.

.

Licht aus.

Aus.

©Klaus Peter Buchheit

Augsburg 2006-2009

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