Freitag, 12. März 2010

3. Szene - Liebe

3. Szene - Liebe

M in Pyjamahosen. F trägt Pyjamaoberteil. Auf der Bühne liegen Puppenbabys. M nimmt während der Szene immer wieder ein Puppenbaby u. reißt ihm Arme u. Beine aus. F hat ein Handy in der Hand.

M:

Wieder ging alles schief.

Wieder so eine Nacht. Wieder nur nachgelaufen. Geschaut. Nicht mitgemacht.

F:

Ruf mich an.

Ruf mich endlich an.

Wann machst du endlich mal, was ich dir sage?

M:

Sie drehte sich.

Sie tanzte u. lachte.

Aber nicht mit mir.

Ich sollte es sehen. Natürlich.

Deshalb tat sie es ja.

Sie tat es, weil ich dabei war.

Ich sollte es sehen.

Aber es tat weh.

Wie ich da am Rand stand u. die Lähmung spürte.

Sie kroch die Beine hoch.

Sie schlich in die Arme.

In den Kopf.

U. es explodierte in meinem Kopf.

Herrliche Farben waren da.

Ich spürte was. Ich wollte, dass sie es tat.

Ich wollte es sehen.

Es sollte wehtun.

Am liebsten hätte ich mich an den unteren Rand der Theke gesetzt.

Wie ein Bierfilz,

der runter gefallen ist.

Den man verloren hat.

Zertreten.

Verdreckt.

Sie tanzte. Sie küsste. Eine andere.

Ich hatte gehen wollen.

Sie hielt mich zurück.

F:

Du Scheißkerl, ruf endlich an.

Wie soll ich so leben?

Hä?

Wie soll so die Ordnung bestehen bleiben?

Die Dinge funktionieren?

Wie soll das gehen?

Du müsstest dich langsam schon mal entscheiden.

Zum Beispiel, mich endlich anzurufen.

Was willst du denn?

Es ist doch alles in bester Ordnung.

Mein Gott, ich hatte halt keine Zeit.

Das ist doch kein Weltuntergang.

Wenn man mal keine Zeit hat. Ich musste mich ausnahmsweise

mal um jemanden anderen kümmern.

Dem ging’s nicht so gut.

Dir ging’s doch gut.

Es lief doch alles. Es war doch alles super.

Das Ambiente hat gestimmt.

Dein Aussehen war ok.

Alles super.

Du sahst nicht aus, als würde dir was fehlen.

Manchmal sahst du aus, als wäre dir alles zu viel.

Du wolltest doch gar gehen.

Du wolltest mich nicht.

Du wolltest nicht, dass es mir gut ging.

Dass ich mich amüsiere.

Ja, das wolltest du nicht.

Du willst nicht, dass ich Spaß habe.

Du gönnst mir nichts.

Alleine wolltest du mich lassen. Ich hatte gesehen, wie du deine Tasche nahmst.

Davonstehlen wolltest du dich.

Meinst du, dass das nett ist?

Sag!

Meinst du, dass man jemanden so behandeln sollte.

Einfach gehen.

Nichts sagen.

Wie soll ich wissen, was los ist, wenn du nichts sagt.

Wie soll ich wissen, was zu tun ist, wenn du signalisierst,

dass dir alles zu viel ist.

Da bin ich dann überzählig.

Also kann ich mich dann auch amüsieren.

Aber das gönnst du mir nicht.

Scheißkerl.

Ruf mich endlich an.

M:

Das Herz zersprang mir, als sie sich küssten.

Das Herz sprang mir auf u. schrie: das bist du.

Es schrie:

du darfst nichts ändern. So muss es sein.

Die anderen müssen sich küssen u. du schaust zu.

Dann passiert dir auch nichts.

Das bist du.

Nichts darfst du ändern, nur zuschauen, sei froh, dass du dabei bist.

In deinem Kämmerlein bekämest du das nicht zu sehen.

Und sind wir mal ehrlich,

ist doch besser als Internet,

als die Fantasien.

It’s real.

Das ist das Leben, mein Lieber.

Stille

M:

Aber ich will das nicht mehr. Dieses: Wieder mal.

Es tut immer noch alles weh.

Wieder zu allen gelaufen u. sie mit dir belästigt.

Wieder mal.

Allen hast du es gesagt, wie es dir geht, nur ihr nicht.

Wieder mal.

Wieder mal musstest du zusammenbrechen in der Hoffnung,

sie verstünde.

Aber sie versteht das nicht.

Ich ruf sie nicht an.

Die kann mich mal.

Nichts sag ich ihr mehr.

Ihr nicht.

Ich bin dann weg.

Das will sie doch.

Sie wollte mich doch vertreiben.

Warum hätte sie sonst so gehandelt.

Warum, frage ich euch. Ihr müsste es doch wissen.

Ihr kennt euch doch damit aus.

Sonst wärt ihr doch nicht hier.

Wärt nicht gekommen.

Glaubt ihr, ich könne euch Lösungen geben.

Glaubt ihr das.

Glaubt ihr, ich wüsste Bescheid u. hier würde sich was lösen.

Stellvertretend.

Ich bin doch der, der zuschaut, der am Rand steht u. zuschaut,

am unteren Ende der Theke.

Der verfilzte Bierfilz (lacht)

Wie viel Striche sind denn drauf.

Bestimmt rundrum zugekritzelt.

Eine Nummer drauf geschrieben. Ihre Nummer, für einen anderen.

Sie schrieb mir ins Gesicht ihre Nummer, damit ein anderer sie lese

u. sie anrufe.

Soll er doch anrufen.

Ruft ihr doch an.

Die Nummer steht in meinem Gesicht.

Was denkt ihr, sind wir auch nur so ein Paar, bei denen es nicht mehr prickelt.

Die ein bisschen Aufmunterung brauchen.

Ein bisschen Pepp.

Bei denen es nicht mehr schnackelt.

Ich bin ihr Filz, auf den sie ihre Nummer schreibt,

damit die Welt zu ihr komme,

oder ihr Papa,

oder ihre Mama,

oder alle Männer,

oder alle Frauen.

Dazu bin ich da, ein Filz,

den man dazu missbraucht, dass andere kommen,

u. das Liebesspiel spielen.

Ich wolle ja nicht spielen.

Oder noch besser: das sei doch mein Spiel.

Warum ich nicht andere kennen lernen würde.

Ich hätte sie doch schon lange erspäht.

Ich könne ihr doch nichts vormachen.

Ihr nicht.

Sie wisse genau, was da abgeht.

Ich sei doch wie sie.

Ich mache das doch auch.

Sie sei doch auch nur Spielball.

Sie mache das doch für mich.

Ich wolle das doch sehen.

Warum sei ich sonst da.

Damit in meinem Kopf die Blumen aufschießen u. blühen.

Das habe ich doch gesagt,

u. sie könne sich nur an das halten, was ich sage.

Ich sage aber nur Scheiße.

Oder.

In mir sagt es ganz anderes.

In mir schweigt es.

In mir heult u. schreit es.

In mir lächelt es,

weil da was Gewaltiges ist.

Aber das zeige ich euch nicht.

Nein, das ist meins.

Ganz allein meins.

Gehört nur mir.

Habt ihr nicht verdient.

Nein.

F:

Warum ruft er nicht an?

Dreckskerl.

Alle Dreckskerle.

Ich hasse sie, weil ich sie liebe.

Ich liebe sie, weil ich sie hasse.

So war das immer.

Immerzu.

Das ist das Geheimnis.

(lacht)

Ach was,

es ist ein Spiel u. ich spiele es.

Das ist alles.

Ich soll es doch spielen.

Das wollte er doch.

Das sagte er doch.

Er könnte also mal ein bisschen Applaus geben.

Es könnte jetzt mal ein bisschen Applaus geben.

(klatscht)

So geht das.

Das macht ihr jetzt alle mal.

Hopp.

Jetzt stellt euch nicht so an. Jetzt klatscht mal in die Hände.

Ist doch nicht so schwer.

Sonst muss ich das hier vertagen.

Könnt ihr nicht nächste Woche wieder kommen.

So Dienstag um drei.

Das würde passen. Das wäre in Ordnung.

Jetzt ist es nicht der richtige Augenblick. Ihr seht doch,

dass ich telefonieren muss.

Dass ich auf einen Anruf warte.

Dass ich spielen muss.

Dieses Spiel.

Dass er endlich anruft.

U. wenn er anruft, werde ich auflegen.

Oder noch besser, ich sage ihm, dass er an einem anderen Tag anrufen soll.

Oh ja.

Fein.

Ich muss ja gerade spielen. Ich habe ja gerade Beschäftigung.

Ich hab ja gerade gar keine Zeit.

Ich muss ja hier spielen.

Mit dem da.

Der muss mich sehen. Das wollte er doch.

Vielleicht könnte ich mit euch

(zeigt ins Publikum)

ein bisschen spielen.

Ein bisschen tanzen,

ein bisschen küssen.

Das würde ihm bestimmt gefallen.

Er hat mich doch wegen euch mit hierher genommen.

Ich bin doch die Schöne.

Das sexy Ding. Das: Sex sells.

Es geht doch um meinen Arsch.

Um meine Titten.

Um meine Titten u. um meinen Arsch.

Das ist doch alles.

Deshalb bin ich doch hier.

Also kann ich ein bisschen Amüsierbetrieb machen.

Oder.

Ist doch nur gerecht.

Also komm ich zu euch

dann sieht es so aus, als würde ich ihm zusehen.

Das will er doch.

Er wird es nicht merken, wenn ich mich von euch küssen lasse.

Ihr werdet mich küssen.

Was braucht ihr was zu sehen.

Ihr könnt ja nächste Woche wieder kommen.

Nächsten Dienstag um drei.

Das ist eh ein besserer Termin.

Heute passt es mir gar nicht.

Ruft ihr mich an?

(F geht zu M u. schreibt mit Lippenstift eine Handynummer in sein Gesicht)

Da habt ihr meine Nummer.

Ruft mich an.

Ich muss jetzt gehen.

Ich hab was anderes vor.

Etwas Wichtigeres.

Aber ruft mich an,

Ihr Dreckskerle.

Ihr Nutten.

Ihr.

Ich.

(geht ab)

M reißt das hintere rechte Laken ab u. tunkt es ins Fass. Er schlägt mit dem nassen Laken um sich. Wringt es über seinem Kopf aus

M:

Ah

M schlägt wieder mit dem Laken um sich.

M rollt das Fass in die Mitte der Bühne. Es schwappt über.

M:

Ah

M holt das nasse Laken u. schlägt wieder um sich. Wirft es dann an die hintere Wand.

M:

Ah.

M nimmt die Puppenbabys u. schmeißt sie alle in das Fass.

M:

Ah.

M steigt in das Fass.

M:

Ah.

M:

Jetzt haben wir den Salat.

M planscht, spritzt um sich. Wirft ein paar Puppen aus dem Fass.

M:

Ah.

Was für ein Salat.

(M lacht)

Was für eine Sauce.

Meine Sauce, die ich mir eingebrockt.

(M lacht)

Ah

Was für eine trübe Brühe.

U. ich bin das Trübe darin.

(M lacht)

Ah.

Stille

M räuspert sich.

M:

Es muss ja endlich mal gesagt werden. Ich weiß es.

Aber was soll ich sagen?

Es wird mir schon was einfallen.

M räuspert sich.

M:

Ah.

Salat.

(als Stimmübungen)

Sa lat

Trüb e

Sup pe

eins zwei drei vier fünf sechs sieben acht

ssssst

pffffft

uuuuuoooooaaaaaeeeeeeiiiiiii

Ah.

Salat.

Trübe.

Ich zögere. Ich zögere noch.

Ich warte noch ein bisschen.

Stille

(M planscht)

(M nimmt ein Puppenbaby u. reißt ihm Arme u. Beine aus)

M:

Wolle ma se roilasse?

Es war nachts in einer Bahn

wir sind nicht nach Hause gefahrn

wir sind nicht zu uns gegangen

wir waren in dem Schacht gefangen

(M zu sich):

geht doch. also weiter

M:

wir haben uns nicht angeblickt

wir haben uns nicht gefickt

(M lacht)

wir haben uns nicht gekannt

wir sind zusammen weggerannt

vor uns sind wir geflüchtet

das hat uns aufgerichtet

so hatten wir die Illusion

es würde schon

Aber in Wahrheit wie soll ich sagen

saßen wir im letzten Wagen

u. der Wagen war abgehängt

niemand hat ihn mehr gelenkt

(lacht)

(M zu sich)

Was für ein Blödsinn

M:

In dem Wagen saßen wir

u. tranken Bier

da saßen noch ein paar

so verrückt wie wir, ja klar,

Sie warfen Tabletten ein

für den netten Schein

die redeten mit ihrem Spiegelbild

u. fuchtelten mit den Händen ganz wild

Irgendwann

ich bin ja ein Mann

stand ich auf

u. setzte mich auf eine andere drauf

u. kotzte ihr ins Gesicht

sie lachte nicht

sie lachte nicht

u. als ich die Augen aufmachte

als ich erwachte

hatte ich nur wieder mal

wie damals schon im Kreissaal

gegen die Scheibe gekotzt

u. mich selbst zugerotzt

M steigt aus dem Fass. Tut so als ob er weinen würde.

M tritt das Fass um.

M weint laut u. künstlich.

M:

Ich fühle nichts.

M ab

Licht aus.

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