Freitag, 12. März 2010

4. Szene - Sterben

4. Szene - Sterben

M in einem Kinderkleidchen. A liegt auf der Bühne u. trägt Leggings, darüber eine Windel. Von der Decke hängt ein Seil.

A:

Sie ist nicht gegangen.

Sie blieb.

Warum habe ich vergessen.

Aber täglich wechselt sie meine Windel.

So hat es angefangen. So muss es eben auch enden.

M:

Hätte ich etwa nicht bleiben sollen?

Wo hätte ich denn hin sollen?

Außerdem macht er jetzt, was ich will.

Ich bestimme. Lege die Uhrzeiten fest.

Er kann nicht mehr weg.

Er muss da liegen bleiben.

Endlich bleibt er da.

Endlich ist er da.

Endlich.

M tanzt um A herum. Summt eine Kindermelodie.

A:

Zornig bin ich nicht mehr.

Wenn nur die Schmerzen nicht wären.

U. das Scheißen.

U. Pissen.

Darauf könnte ich doch auch noch verzichten.

Habe doch schon auf das ganze Leben verzichtet.

Dann könnte ich auch noch darauf verzichten.

M:

(im Befehlston)

Dreh dich um.

M zieht A die Windel aus. M reißt das rechte vordere Laken von der Wand, wischt A damit den Po sauber u. schlingt es ihm dann einer Windel gleich um die Lenden.

M:

(im Befehlston)

Dreh dich wieder um. Du bist jetzt wieder sauber.

Du Dreckskerl.

Immer scheißt du dich voll.

Du machst mir nichts als Mühe.

Das Leben lang hast du mir nur Mühe gemacht.

Hast mir nicht gegönnt, dass ich mich ein bisschen amüsiere.

Hattest nur dein Leid.

Ich würde dich ins Grab treiben.

Das waren doch deine Worte.

Du kommst mir nicht ins Grab.

U. wenn ich dich ewig pflegen muss.

A:

Es hört nicht auf, es hört einfach nicht auf.

Der Ekel, als die Insekten kamen. Sie liefen meine Beine hinauf

u. bauten ihr Nest in meiner Windel.

Sie sagte, das sei gut,

die würden reinigen. Dann bräuchte sie das nicht so oft zu machen.

Geekelt hat sie sich aber auch vor den Viechern.

Seitdem muss ich mich auf den Bauch legen.

M:

Du kannst hier nicht mehr liegen bleiben.

Wir müssen hier weg.

Nicht mal das konntest du organisieren,

dass wir hier bleiben können.

Zu nichts zu gebrauchen.

Nur eine Last, ein Leben lang.

Hättest du anders gelebt, wärest du jetzt noch in der Lage,

selbst zu gehen.

Immer hast du mir als Last auf den Schultern gelegen.

Jetzt muss ich dich auch tragen.

M nimmt den Folienschlauch u. befestigt ihn an dem Seil. Schaltet die Windmaschine an.

M schleppt A zu der Folie.

M:

Hopp

Kriechen wirst du ja wohl noch können.

Also kriech da hinein.

Es ist genug geredet.

A:

Keine kommt mehr.

Niemand schaut nach mir.

Als hätte ich nie gelebt.

Als wäre das kein Leben gewesen.

Als wäre ich zu gut vor mir weggelaufen.

Ich bin mir tatsächlich entkommen.

Jetzt bin ich nicht mehr da.

Nicht bei mir.

Nur sie ist bei mir.

Nur sie.

M:

Red nicht mehr. Als du hättest reden sollen, hast du gelogen.

Jetzt wird nicht mehr geredet.

(Tritt nach ihm)

A kriecht in die Folie. M hinterher.

In der Folie kriecht M über A. Sie umarmen sich.

Dann gibt sie ihm eine Ohrfeige.

M:

Hopp

A kriecht aus der Folie. M folgt. M packt A unter den Armen im Sanitätergriff. Trägt ihn von der Bühne.

M:

Ich lass dich nicht ins Grab fahren. Du wirst dich nicht beschweren können. Du wirst nichts Schlechtes über mich sagen können. Nie. Ich war dein liebstes Kind.

A:

Es hat sich ja gar nichts verändert.

Licht aus.

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